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Unsere Weser


von Hermann Schmidt


Von Stromkilometer 195.5 bis etwa 202,5 km (von Hannoversch-Münden her gemessen).
„Unsere Weser“ nannten wir sie, wenn wir auch nur das westliche Ufer als Barkhauser Interessensgebiet„ bezeichnen durften, das aber dann auch in einer Länge von etwa 7 Km. Wir waren immer stolz auf unser „fließendes Wasser“, obwohl es eine natürliche, nicht leicht zu überschreitende Grenze nach Osten bildete. (Im Volksmunde, plattdeutsch: Auf der „anderen Seite“ wohnten „de Oberwiesken“, die sich durch Sprache und Kleidung deutlich von uns unterschieden. Bis 1868 gabs nur eine Fähre nach drüben, dann die „Kettenbrücke“ bis 1945, 1936 zusätzlich die „Grüne Brücke“ zum Erztransport. 1954 wurde die neue Portabrücke etwa an der Stelle der 1945 zerstörten Kettenbrücke gebaut, und nun gibt`s auch noch die „Südbrücke zwischen Barkhausen und Minden (leider nur für Kraftwagen!)
Zunächst noch einige Zahlen nach der neusten Grundkarte 1:5000:
Von Stromkilometer 197, Höhe 42,24 m bis km 200, Höhe 41,00 m, beträgt das Gefälle also: auf 3 km - 124 cm, oder auf 3 km etwa 1,25 m oder auf 100 m 4,1 cm. Die alte Bastaumündung bei km 199,3 (heute Ortsbach). Flußbreite unterschiedlich Normalwasserstand 75-90 m.
Und nun ein Bericht über die Weser und ihre Bedeutung für uns Barkhauser seit etwa 1900, mein persönlicher Erlebnisbericht!
Ein lebendiger Fluß dieser Größe ist natürlich für uns zu allen Zeiten und Jahreszeiten ein interessantes, vielseitiges Anschauungs- und Erlebnisobjekt gewesen.
Der Schiffsverkehr. Da gabs bis etwa 1930 noch die Weserdampfer mit den großen Schaufelrädern, die mit letzter Kraft, so schien es uns immer 4-5 größere und kleinere (500-1.000 Tonner) Lastkähne, - von uns nur „Böcker“ genannt, - stromauf- und stromabwärts schleppten. Der „Roland“ war einer der stärksten und schönsten, die „Preußen“, „Westfalen“, „Borussia“ andere, schwächere. Der schmuckste Raddampfer aber war die vornehme, grün-weiß-rot gestrichene „Helgoland“ (in ihrem Nationalfarbenkleid). Sie diente aber auch vorwiegend dem Personenverkehr, d.h. sie machte Ausflugsfahrten für Schulen, Vereine und ganze Dorfschaften. Mit dem „Roland“ haben wir als junge Seminaristen 1921, -nur auf Grund guter Beziehungen zu Kapitän Kümmel von Petershagen, -eine herrliche Fahrt nach Bremen gemacht, als „Hilfsmatrosen“ sozusagen.
Durch das Dampfpfeifen-Signal des Schleppzuges vor der Fähre noch rechtzeitig rasten wir zur Weser, um diesen „Kraftakt“ Maschine gegen den Strom gebührend zu bestaunen.
Besonders lockten uns diese Schleppzüge ,die stromaufwärts fuhren zur Sommerzeit, zur Badezeit an. Die Weser war damals unsere Bade- und Schwimmanstalt. Ihr Wasser war so klar, der Strom als Helfer oder Querulant so interessant, daß das Schwimmen in der offenen Weser viel mehr Spaß machte als im begrenzten Becken. In der Weser „lernten wir uns das Schwimmen“ so hieß das), die Durchquerung des Stromes war das „Freischwimmerzeugnis“. Und das Dauerschwimmzeugnis erwarb man so:
Wenn der nahende Dampfer infolge der Schaufelwirkung das Wasser ansog, stürzten wir uns in die Fluten, schwammen nahe an den Dampfer heran, um möglichst in den großen Wellen stromabwärts am 1. Böcker entlang das ihm hinten anhängende sogenannte Moorschiff zu fassen und hineinzuklettern. Von ihm aus stiegen wir auf den „Böcker“, soweit der Schiffer es gestattet und köppten dann vom Bordrand in den mit doppelter Geschwindigkeit vorbeirauschenden Strom. Am 2. Böcker entlang gings dann wieder über das Moorschiff auf Deck usw. Auf dem letzte Böcker ließen wir und dann gratis und franko etliche Hundertmeter stromaufwärts mitnehmen, um dann in langer Reihe hintereinander „bockspringenderweise“ stromabwärts unseren Startplatz zu erreichen. Ein Bombenspaß in der Gruppe.
Nur wenn der Schiffseigner kein Verständnis hatte für jugendlichen Übermut, dann vertrieb er und vom Böcker und schüttete auch wohl mal in seinem berechtigten Zorn über unsere mißfälligen Bemerkungen seinen Teertopf, den er gerade in der Hand hielt, über uns Flüchtenden aus. Wir tauchten dann zwar schnell, aber es passierte einmal einem Kameraden das Mißgeschick, daß er in der schwimmenden teerblase auftauchte.
Es war anschließend eine häßlich Prozedur, den Teer aus den zum Glück schwarzen Haaren mit Butter zu entfernen.
Auch als Ruderer haben wir uns auf der Weser versucht, als wir einmal eine kleine Jolle von einem Fischer geliehen bekamen. Beim 1. und einzigen Start in der offenen Weser wären wir fast gekentert, weil wir, im Wellenbereich eines Raddampfers fahrend, die beträchtlichen Wellen nicht rechtwinklig angingen. Die schneidigen Ruderboot - Einer, Zweier, Vierer und Achter der Mindener Sportruderer ''abzunehmen“ hatten wir oft Gelegenheit. Wir begnügten uns damit, die geeigneten Kieselsteine für den Weitwurf - möglichst über die Weser,- zu suchen, oder flache steine so schräg gegen den Strom flach über die Wasseroberfläche flitzen zu lassen, „wassermaus-werfen“ nannten wir diesen Tanz der Steine auf dem Wasserspiegel. Oder wir warfen geeignete Steine möglichst senkrecht hoch, sodaß sie abwärts mit möglichst wenig Geräusch einplumpsten, Damals fand man am Ufer auch noch Flußmuscheln oder auch nur leere Muschelhälften. Am Ufer bauten wir in Sand und Stein, Kochstellen für den selbst gebackenen Pfannkuchen, Verstecke in den dichten Weidenbeständen, Springblöcke aus Stein zum Kopfsprung ins tiefe Wasser, in den Kolken Hütten bauen als Regenschutz, unser Weserstrand an der „Schlagde” (so hieß dieser Strand ) war im Sommer unser schönster Spielplatz!
Interessant für uns, dem Meisterangler, der oft bei uns aufkreuzte, (einem alten Postboten), der mit viel Geschick und Witz, -er fütterte Fischlein zuvor, - stets reiche Beute machte. Wir hätten zu gern auch mal einen Fisch gefangen, haben’s aber nie geschafft, nicht nur, weil wir keinen Angelschein hatten. Einmal hatten wir Glück! Als 2 Männer „gekuckelt“ hatten, haben wir den „Fischfrevlern” ein paar der „betrunkenen“ ,an der Oberfläche torkelnden Fischlein abgeluchst.
Natürlich waren wir auch dabei, wenn bei den Hochwassern, meist im Februar, die Landwirte Hutze und Münstermann (Pächter des Weserfischf.) mit einem großen Zugnetz gleich körbeweise Beute machten. Für uns fiel dabei leider nichts ab. Aber einmal haben wir Fischraub getrieben, als wir beim Baden mit den Füßen an eine Milchkanne im Wasser stießen. Sie enthielt einen Aal. Den haben wir stibitzt und gleich in der Pfanne gebraten.
Zum Baden besuchten die Barkhauser die Weser bei der „Sandbank“ dicht oberhalb der Kettenbrücke, Ein flacher Sandstrand lockte zahlreiche Badelustige, klein und groß, zum kostenlosen Freibad im klaren Wasser. Hier wollte auch die Gemeinde um 1910 und auch um 1948, ähnlich wie in Minden, -durch lange, im Wasser schwimmende Balken, - einen Teil der Weser abzuteilen.
Das erste Mal vertröstete man uns mit einem Brausebad in der neuen Schule demnächst, den 2. Versuch, den ich als Sportlehrer an der Schule beim Bürgermeister unternahm, untersagte das Wasserbauamt Minden. Wir fuhren dann ab 1952 mit Fahrrädern, so oft es ging, an der Weser herunter zum Sommerbad in Minden.
Unser Barkhauser Weserstrand war sehr unterschiedlich. Mal Sand, mal häßliche Steine, mal ausgebaute Buhnen („Köpfe”) genannt, mal Schlammstrand wie bei der „Kuhtränke“, dann näherte sich die tiefe Fahrrinne der Weser in der Linkskurve ganz dem Barkhauser Ufer (da konnte man weder gut einsteigen noch aussteigen wegen der dicken, schroffen Steine am Ufer. Danach begann oberhalb die „Schlagde“, unsere Heuwiese, unser Ziegenhüteplatz und Spielplatz.
Recht lustig anzusehen war das Verladen der Zementsäcke in die großen „Böcker“ am jenseitigen Ufer in Höhe der „Kuhtränke“. Von der etwa 500 m von der Weser entfernten Zementfabrik in Lerbeck aus wurden die Zementsäcke mittels einer Seilbahn bis am rechten Weserufer ankerndem „Bockschiff“. „Puppe“ um „Puppe“ (so sahen die Zementsäcke auf ihrem Sessellift aus) verschwanden im riesigen Laderaum des dickleibigen Böckers.
Unsere Weser hatte ,-und das soll nicht verschwiegen werden,-auch ihre Tücke und Gefahren, die man kennen mußte. Ortskundig mußte man sein vor allem als Nichtschwimmer, den Tiefen und Untiefen waren ganz unregelmäßig verteilt. Die starke Strömung machte manchen Angst, für uns war sie das Prickelnde, das Angenehme, wenn man sie nützte. Für Nichtschwimmer eine regelrechte Gefahr und auch kein Lehrschwimmbecken.