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Der erste Weltkrieg


Aus der Schulchronik und autobiografisch von Hermann Schmidt.


Schulchronik und nach eigenen Erlebnissen als 11-bis 15-Jähriger.

„Es grollte von Ost, es grollte von West, am Himmel zuckt es von Flammen“

so beginnt der Schreiber der Schulchronik, Rektor Klostermann, seinen Jahresbericht über das Kriegsjahr 1914.

1914

Schon lange drohte das Unheil eines großen Krieges. Das spürten selbst wir Jungen. Und wir begriffen auch, was die Alten uns dazu sagten: Frankreichs Rachedurst, Englands Neid auf Deutschlands Wachstum in Handel, Industrie und seiner Flotte, Russlands Machtgelüste auf dem Balkan! Das bedeutete Einkreisung Deutschlands. Wir erlebten in der Sorge um den Frieden die Tage nach dem Mord von Sarajewo mit, sahen wie der Funke zündete. Russland machte als erstes Land mobil. Unser Kaiser versuchte den Frieden zu retten, Vergebens. „Unsere Feinde wollten den Krieg und hatten ihn schon lang vorbereitet!“ So der Chronist und das dachte und fühlten wir alle.
Die Mobilmachung durch den Kaiser am 1. August geschah für uns zur Abwehr, nicht als Angriff, verursacht durch kriegerische Gelüste unsererseits. Ich selbst erinnere mich ganz deutlich der Stunde am Freitagnachmittag, einem sonnigen Sommertag, der uns verlockt hatte, in Büschings Teich ein Bad zu nehmen. Da erschreckte uns die Glocke des Gemeinde-Ausrufers, Vater Bölling, und seine etwas heisere Stimme:„ Deutschland macht mobil! Der 2. August gilt als 1. Mobilmachungstag!“ - Ich empfand mit meinen 11 Jahren körperlich und seelisch das Unheilvolle dieser Nachricht. Dann aber vergingen meine Ahnungen sehr schnell im Leben und Treiben, in der Begeisterung und im Wirken aller, der Großen und auch uns Jungen, die das Wort „Mobil¬machung“ ausgelöst hatte. Wir sahen die ersten Reservisten, gemäß ihrem persönlichen Gestellungs-Befehl mit einem Pappkarton zu den Waffen eilen. Am Sonntag beförderte die Straßenbahn plötzlich statt Menschen nur noch Ausrüstungsgegenstände für Soldaten und Pferde in unser Dorf. Wir eilten zur Gastwirtschaft Weber und halfen fleißig beim Transport der nagelneuer Geschirre, Sättel, Leinen usw. Dann ging es zur Schule, wo Uniformen in die zu Bekleidungskammern umfunktionierten Klassenräume getragen werden musste. Auch ein „Wache“ wurde eingerichtet! Die eintreffenden Reservisten wurden jubelnd begrüßt. Barkhausen war Garnison geworden! Und wir hatten Ferien (ab 3.8.) und deshalb viel Zeit, zum Helfen und Schauen. Letzteres besonders auf der Chaussee, wo plötzlich verdächtige Wagen, Autos, Radfahrer angehalten und kontrolliert wurden. Spionengefahr ! Der Schulhof glich einem Heerlager.
Eisenbahn, Brücken und unser Bahnhof wurden bewacht. Zug um Zug mit Soldaten passierten die Station Porta. Übermütige (?) Kreideaufschriften:„ Hier werden noch Kriegserklärungen angenommen - Nach Paris! - Jeder stoß - ein Franzos! Jeder Schuß - ein Russ? Jeder Tritt-ein Brit!“ Aber am Mittwoch, dem 5. August wurde in der Kirche auch die erste Kriegsbetstunde abgehalten. Am Sonntag, dem 9. August rückte das Reserve-Regiment 15 aus, ich war dabei, um meinem Onkel Lebewohl zu Sagen. Die feldgrauen Uniformen waren uns ganz neu. Blumen, Jubel, Mütter, Frauen und Kinder begleiten ihre Lieben zum Bahnhof, um ihnen ein Lebewohl -ein letztes ? - zuzuwinken.
Am 10. August bei uns im Dorf dasselbe Bild, die erste Munitionskolone war bei uns -wie viele später- ausgerüstet und rückte ins Feld.
Drei junge Lehrer der Schule Barkhausen wurden zu den Fahnen gerufen, Herr Struckmann (vermisst), Herr Schneider und Herr Kleffmann. Zahlreiche Jugendliche meldeten sich auch in Barkhausen freiwillig zu den Waffen, junge Mädchen als Helferinnen in den Lazaretten. Bald wurden die ersten Siegesmeldungen durch Glockengeläut verkündet. In den Schulen gab es dann „ Siegesfrei! “. Wie oft in den ersten Jahren der großen Schlachten im Bewegungskriege im Westen, dann im Osten, Südosten, zu Wasser und in der Luft. Und wir Jungen verfolgten Verlauf der Frontlinien, steckten Fähnchen auf Sonderkarten, verschickten Liebesgabenpäckchen an unsere im Felde stehenden Lehrer. „Nagelten“ Schilder in der Klasse, wobei wir von unserm Taschengeld Nägel kauften, um sie dann sichtbar auf dem Ehrenschild einzuschlagen.
Im Dorf wurde ein Unterstützungs-Ausschuß gebildet für notleidende Familien. Der Pfarrer Meyer war Vorsitzenden, Landwirt Münstermann 27 und Maurer Kochbeck 102 vertraten den Gemeinderat, Bauer Arnsmeyer und Tischler Siekmann das Presbyterium, Rektor Klostermann und Mauermeister Stremming den Schulvorstand, Maurer Kelle 62 und Schneider Göking den Kriegerverein und vom Evangelischen Verein Frauenhilfe Rentner Wiehe 74, Frau Laup und Frau Hölscher. Die erste Todesnachricht: Maschinist Wilhelm Niestrath, Reservist vom Regiment 15 am 22.8. im Straßenkampf zu Monceau-sur-Sambre in Frankreich gefallen, 30 Jahre alt. Der nächste, Heinrich Pieker, nur 20. Bis zum Ende des Krieges waren es über 80 Gefallene, die der Chronist namentlich und mit bekannten Angaben über Zeit und Ort festhielt. Für jeden Gefallenen hielt Pfarrer Meyer in der Kirche einen besonderen Gedenkgottesdienst (Wochentags abends).

1915

1915 wird in Barkhausen ein ständiges Rekruten-Depot für das Regiment 15 eingerichtet. Gasthäuser mit Sälen werden als Quartiere beschlagnahmt.
Schon im Januar 1915 gibt es K-Brot zu essen (Brot mit Kartoffelmehl). Das erste Kriegs-K-Produkt. Später gab es deren viele: K-Seife, K-Schuhe usw. Die Blockade der Feinde machte sich immer mehr bemerkbar. Im Februar 15 gab es die ersten Brotmarken, „2 Kg Brot wöchentlich, das Opfer wollen wir gern fürs Vaterland bringen.„ 1/2 Pfund Brot täglich gab es schließlich.
Barkhausen wird Kriegsgarnison: 1 Bataillon Rekruten besetzt die Säle des Kaiserhof von Krohne und Weber. Schule halb belegt. Lehrerinnenwohnungen werden zu Munitionskammern! Arbeitsferien der Oberstufe der Schulkinder für Hilfe in der Landwirtschaft. Es werden Jugendwehren gebildet (Vormilitärische Ausbildung) . Gastwirtschaft Seeger (Friedenstal) wurde Lazarett. Vom 16 .August 1915 meldet die Chronik die Verteilung der von Kindern gesammelten Liebesgaben an 250 ausrückende Soldaten, Rekrutenvereidigung am Kaiser-Denkmal, die Jungen der oberen Klassen nehmen mit ihren Lehrern teil.
1915, das Jahr der grossen Siege im Osten, die Front gegen die Russen rückt nach der Befreiung Ostpreußens und dem Durchbruch in Galizien bis in die Pripeth-Sümpfe vor. Die Garnison Barkhausen hat ein Musikkorps, zuerst bei Weber, dann in der alten Schule spielend und übend. Wir Jungen waren oft bei ihnen zu Gast. Wir kannten jeden Musiker, ihre Instrumente, den Kapellmeister Riese, dessen „Freundin”, die vornehme Witwe Barten, der er, nach unseren Beobachtungen, oft den Marsch “ Preußens Gloria“ als Ständchen zum Schluß des Platz Konzertes vor der Bäckerei Stapff spielen ließ. Sie wohnte gegenüber bei Kaufmann Böschemeier. Das 2. Kriegsweihnachtsfest, 24 Gefallene würden nie wieder Weihnachten feiern.

1916

Blutige Kämpfe bei, Verdun. Der Jahrgang 1896 brachte große Opfer in der Hölle von Verdun. Schüler sammeln Zeitungspapier. Zucker, Kartoffeln, Seife werden knapp, nur noch in kleinen Portionen verkauft. Die „Sommerzeit“ wird eingeführt. Fleisch wird nur noch vormittags verkauft. Am 16. Mai werden alle Hausschlachtungen Verboten. Zuckermarken: pro Kopf und Woche 200 Gramm Ersatz.
Am 31. Mai 1916 rückte das II. Bataillon des Infanterie Regiment Nr. 15 von hier nach Herford.
Krieg führen kostet Geld, sehr viel Geld. Deutschland ist gezwungen, beim Volke Geld zu leihen, das nannte man „Kriegsanleihe zeichnen“. Die erste Kriegsanleihe wurde jetzt aufgelegt, Milliardenbeträge wurden gezeichnet. Auch echtes Gold in jeder Form sammelte der Staat, die Goldmünzen waren längst eingetauscht worden. Bergarbeiter in Dortmund streiken wegen Mangels an Kartoffeln, Barkhausen muß 60 Zentner umgehend nachliefern.
Butter gibt es ab sofort nicht mehr beim Bauern zu kaufen. Milchzwangswirtschaft wird eingeführt, die Bauern müssen die Butter an die Gemeinde abliefern, die deren gerechte Verteilung übernimmt. Erwachsene erhalten vorläufig 70 Gramm, Kinder unter 14 Jahren 50 Gramm pro Woche.
Brennnesseln werden von den Schülern gesammelt, sie werden wie Flachs verarbeitet. Sammlung für unsere Gefangenen im Auslande 369 Mark. Fleischkarten ab 22. Juli, 150 Gramm je Person und Woche, kaum gesichert.
2 Jahre Krieg: Schwere Kämpfe nach außen gegen Feinde ringsum, schwere Kämpfe auch im Innern gegen Hunger und Not.
Ein erobertes belgisches Geschütz wird vor dem Denkmal aufgebaut, „sang-klanglos“ nach der Chronik.



Das Handels-U-Boot „Deutschland“ ist von seiner Reise nach Amerika glücklich zurückgekehrt!„ Großartiges Ereignis, das Zeugnis abgelegt von deutscher Technik und Tatkraft!“
Am 2. September feiert man „trotzdem“ Sedan.
Im September werden sämtliche noch nicht im Kleinhandel befindlichen Äpfel, Zwetschen und Pflaumen beschlagnahmt.
Die 5. Kriegsanleihe, Lehrer sollen persönlich in den Häusern dafür werben. Die Schüler der Schule Barkhausens haben zusätzlich 1.000 Mark Kriegsanleihe gezeichnet. Jetzt gibt es auch Kartoffelkarten (4 Zentner pro Person, jährlich), dann wird die Milch rationiert, Eierkarten.
„Siegesfrei“ wird seltener, jetzt „nur“ noch für Siege in Rumänien, Bukarest erobert am 7. Dezember.
Barkhauser Schulkinder sammelten: 1 Zentner getrocknete Brennnesseln, 3 Zentner Zwetschensteine, 30 Pfund Kirschensteine, 1 1/2 Zentner Kastanien.
Im Dezember, wird 1 Batterie Artillerie in Barkhausen einquartiert.
Zum Weihnachtsfest 1916 durfte in Barkhausen, nur der Bäcker Stapff Spekulatius herstellen, weil er entsprechende Maschinen besaß. Über 21 Zentner Mehl hatte er am Abend verbacken, und über 500 Personen hatten alles weggekauft.

1917

Das Friedensangebot des deutschen Kaisers wurde abgelehnt. Sein Geburtstag am 27. Januar wurde nicht gefeiert wegen der Kohlennot. Ein strenger Winter machte die Kohlennot noch größer, so daß im Februar die Schule zeitweise zuschließen musste. Im März kamen die Schüler nur 1/2 Stunde in die Schule.
Von April bis September waren 71 Kinder aus dem Kohlenrevier nach hier zur Erholung geschickt worden.
Im Juni Abgabe aller Aluminiumsachen zur Verwendung für Kriegszwecke. Sammlung für die Opfer des U-Boot-Krieges.
Alles Leder ist beschlagnahmt. Treibriemen werden als Lederersatz häufig gestohlen. Nur Holzschuhe und Holzsandalen im Sommer sind zu haben.
Selbst Fahrradreifen sind nicht zu haben, gar später sogar verboten für Private, wir fahren auf „Spiralla“, Metall-Spiralfedern, die in die Felgen geklemmt sind.
Jede Normalverbraucher-Familie (die wenigsten waren „Selbstversorger“) war bemüht, sich zusätzlich Nahrungsmittel zu beschaffen: Viele pachteten Land, rodeten sich Ödland, hielten Ziegen, Milchschafe, Kaninchen, Ziegenlämmer schlachtete man, selbst unsere alte Ziege haben wir zum Beispiel geschlachtet (eine zusätzliche Fleischquelle, die nicht gemeldet zu werden brauchte). Andere versuchten durch „Hamstern“ bei den Selbstversorgern auf den Dörfern zu zusätzliche Lebensmittel zu erhalten. Ein Eigenes „tragik-komisches“ Erlebnis aus dieser Zeit.
Am Sonntag vor Ostern 1917 marschierten wir zu dritt, Bruder Karl (17), Bruder Fritz (13) und ich (14) im Auftrage der Mutter früh morgens mit der Hamstertasche los über Land nach Uphausen/Biemke. Eine Bäuerin hatte der Mutter 1 Pfund Butter zum Osterfest zugesagt, andere ein paar Ostereier. Es klappte alles. Butter und 46 Eier wurden in der ledernen Reisetasche unauffällig verstaut, und heimwärts ging es am Berg entlang. Abwechselnd trug jeweils einer die Beutetasche. Kurz vor Barkhausen war ich dran. Ich trug die Tasche, am Spazierstock aufgehängt, links geschultert, den Griff nach oben, da geschah das Unglück! Der Stock hatte sich gedreht, und die Tasche rutschte vom Stock ab und fiel zur Erde. Genau die Hälfte der Eier, 23 an der Zahl waren zerdeppert. Zum Glück war die Tasche wasserdicht. Statt der bunten Ostereier gab es diesmal Rührei!
Im Oktober zeichneten die Kinder der Schule 3 700 Mark Kriegsanleihe. Ihr Rektor erhielt das Verdienstkreuz für Kriegshilfe.
Die Schüler stifteten zu Weihnachten 40 Leibesgabenpakete für Soldaten ohne Angehörige.

1918

Im Osten zeichnet sich der Frieden mit dem geschlagenen Rußland ab. Am 9. Februar Friede zu Brest-Litowsk mit der Ukraine. Mit Groß-Rußland am 3. März. Neu Hoffnung auf Endsieg du Frieden.
Ein „vaterländischer Abend” im Gasthof Weber war gedacht als Propaganda- Abend für die 8. Kriegsanleihe. Der “ Jünglingsverein“ spielte „Die Schlacht bei Dennewitz“, ein Stück aus den Befreiungskriegen (Ich war auch dabei). Große Festrede:„ Deutsches Volk, die Entscheidung naht!“
Am 7. Mai auch Friede mit Rumänien.
Die 48. Todesnachricht aus dem Felde: Am 15.Mai 1918 fiel bei Moorseele (bei Ypern der Musketier Karl Schmidt, 18 Jahre alt (Mein Bruder!).
Laubheu sammeln für die Militärpferde, Futterersatz für Heu. Ich war in Petershagen als Präparand (Lehrer-Seminar) dabei.
Die Hoffnung, nach dem Frieden im Osten nun mit geballter Kraft im Westen durch großangelegte Offensiven die Kriegsentscheidung zu unseren Gunsten zu erzwingen, scheiterten. Der Heldentod hielt große Ernte auch bei uns (70 Tote und Vermisste).
Die Schule liefert 70 Zentner Laubheu ab. Nun werden auch noch Bucheckern gesammelt, alles in der Schulzeit.
Im Oktober 1918 geht ein Sterben durch Deutschlands Gaue und rafft die Menschen in der Blüte der Jahre dahin, die „Spanische Krankheit“ (von Spanien soll sie gekommen sein) erfasst Groß und Klein, sie ist ansteckend, und wird von den Ärzten als Influenza oder auch Grippe genannt. An einem Tage stehen 6 Leichen über der Erde. 40% der Schulkinder sind erkrankt. Eine Woche bleibt die Schule geschlossen.
Am 6. November zeichnete der Chronist noch 18 700 Mark Kriegsanleihe von Schülern und Eltern.
Am 9. Oktober brach die Revolution in Deutschland aus. Arbeiter- und Soldatenräte übernehmen die Gewalt, auch im benachbarten Minden. Diese besetzten in der Nacht zum 8. November Brücke und Bahnhof in Porta. Im Dorfe „merkt man nichts“. 9.11. „Im Dorf herrscht große Bewegung und Bestürzung: der Kaiser hat abgedankt .Scheidemann hat die Republik ausgerufen.“ 11.11. Waffen Stillstand zu schmählichen Bedingungen! Fürsten danken ab. Bismarcks Reich ist nicht mehr.„ Die Soldatenräte halten alle Urlauber auch in Barkhausen zurück. Am 20. November: Seit einigen Tagen fahren viele Last- und Personen-Autos durch unsern Ort, von der Front in die Garnison. Das Dorf begrüßt die ungeschlagenen Truppen mit Fahnen- und Girlanden.
Am Totenfest fand abends in der Kirche eine Gedenkfeier für die Gefallenen unserer Gemeinde statt.
Am 24. November wurde auch für Barkhausen ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet, der ergänzt wurde aus Vertretern der Bauern, der Gewerbetreibenden und der Beamten.
Am 11. Dezember trifft die Munitionskolonne Nr. 58, die seiner Zeit hier aufgestellt wurde, zu ihrer Auflösung hier ein. Danach Demobilisierung mehrerer Batterien des Artillerie Regiments 14.
Die hanseatischen Regimenter, die hier durchmarschierten, zeigten Ordnung und Disziplin. Ihre Versorgung war sehr gut, wir haben oftmals aus ihrer Feldküche mitgegessen, auch in Petershagen.
In den Weihnachtsferien habe ich allerdings in Barkhausen an der Portastraße beobachtet, wie dort haltenden und pausierenden bespannten Einheiten ihre guten Pferde bei unsern Bauern gegen Geld oder andere Dinge austauschten.
So hatte ein benachbarter Bauer plötzlich 2 zugkräftige Schimmel. Meine Großmutter wollte mir ein kleines Pferd für 50 Mark schenken, so erinnere ich mich.
Das Weihnachtsfest 1918 wurde zwar ohne Kerzen und große Geschenke gefeiert ,aber das Wiedersehen mit heimgekehrten Soldaten machte doch fröhliche Gesichter.
Der Chronist gedenkt an dieser Stelle der „Vermissten“. In 10 Familien in Barkhausen trauert man um einen dieser Verschollenen !

1919

Der Arbeiter- und Soldatenrat verkauft die alte Schule (damals Kochschule) an Bergbrede. Die Turnhalle, 1914 in der Schule in der Osterfeld Straße 4 eingerichtet, wird zu Wohnzwecken umgebaut.

19. Jan. 1919 - Wahl zur Deutschen Nationalversammlung:
Partei, Stimmen in Barkhausen, Abgeordnete im Reich
Sozialdemokraten, 765 Stimmen = 60%, 163 Abgeordnete
Demokraten, 255 = 20%, 75 Abgeordnete
Deutsche Volkspartei, 104 = 8%, 19 Abgeordnete
Deutsch-Nationale 149 = 11,7%, 44 Abgeordnete
Zentrum, 3 = 0,25 %, 91 Abgeordnete
Gesamt 1.276 Stimmen

Die Sozialdemokraten als die Partei der Arbeiter hatte die absolute Mehrheit erreicht. Sie blieben auch die stärkste Partei in Barkhausen bis 1933.
Der 1. Mai ist von der Nationalversammlung zum Feiertag erklärt worden. Die Barkhauser Schule hat 590 Kinder. Der Übergang der Schüler, besonders auf dem Lande, zu den höheren Schulen soll gesichert werden. Der Krieg ist zwar aus, aber die Not hält an Kohlennot - Kohlenferien. Amerikas schickt uns Speck.
Im Januar und Februar 1920 geht es in Barkhausen um die Frage: Soll die Schule Konfessionsschule bleiben oder Simulianschule, eventuell sogar eine weltliche Schule werden? Versammlung in der Kirche, Beratungen. Schließlich beschließt man, die Erziehungsberechtigten selbst in einer geheimen Abstimmung zu befragen. Das Ergebnis war ein klares Bekenntnis zur Bekenntnisschule wie bisher: 659 Stimmen dafür nur 82 dagegen.
Allgemeines, gleiche, geheimes direktes Wahlrecht für Männer und Frauen vom 20 .Lebensjahre ab. Danach wurde der Gemeinderat neu gewählt: 7 Sozialdemokraten und 5 Vertreter der bürgerlichen Parteien.
Neuer Gemeindevorsteher: Am 30. Aug.1919 wurde an Stelle des bisherigen Vorstehers Heinrich Pohlmeyer der Kandidat der SPD Heinrich Gerkemeyer zum Vorsteher gewählt.
Am 21. und 28. März 1919 wichtiger Beschluß der Gemeindevertretung: Die Gemeinde Barkhausen will, um der großen Wohnungsnot zu steuern,15 Wohnhäuser bauen.15 Einfamilienhäuser an der Alten Poststraße und Winkelstraße, die von den Reflektanten in 40 Jahren ohne Anzahlung im Wege der Zins Zahlung und Amortisation als Eigentum erworben werden können. Das erforderliche Grundstück von 5 Morgen Größe wurde für 37 000 Mark von Kolon Wilhelm Schwartze, Nr.7 käuflich erworben. Die Bauleitung wurde dem Barkhauser Architekten Warmbold übertragen. Im Juli 1920 bereits wurden die Häuser dieser 1. Siedlung in Barkhausen (im Volksmunde die „Kolonie“ genannt) bezogen, Hausnummern 349 bis 363. Die Besitzer: Withop, Horstmann ,Meyer, Nolting, Franzmeyer, Vollbracht, Braunschuh, Görke, Wemhöner, Marks, Wundes, Hirsch, Gerkemeyer, Schmidt, Teuchert.
Amerikanisches Mehl, Kartoffeln aus England, immer noch herrscht große Not. Die Preise steigen. Der Chronist berichtet von zahlreichen frechen Diebstählen in Flur und Feld, in Häusern und vor allem wegen der Kohlennot im Berge, nach der Parole: „Not kennt kein gebot!“ Besonders frech waren die Diebe, die den Kolonen Arnsmeyer Nr.1 und Franzmeyer Nr.23 nachts die Pferde aus dem Stall stahlen.

1920

Am 27. Februar 1920 würde auch der Schulvorstand neu gewählt. Vor 1919 waren nur Landwirte und Bürgerliche darin, jetzt ändert sich die Zusammensetzung gänzlich:
Köhring 294, Maurer Hundertmark 310, Tischler Dallmeier Nr.85, Schmied Witthaus Nr.57 und Landwirt Stremming Nr.20.
Von Amts wegen: Amtmann Gerfson, Pastor Meyer, Vorsteher Gerkemeyer und Hauptlehrer Klostermann.
Am 1.4.1920 besuchten 390 Kinder die Schule. Einwohner 2 600

Am 6.Juni 1920 Reichstagswahl. 1283 Wähler beteiligten sich.
Wahlergebnis, Partei, Stimmen, Stimmen 1919:
Sozialdemokraten, 686 ,(765)
Unabhängige Sozialdemokraten, 55, ( - )
Demokraten, 54, (255)
Deutsche Volkspartei, 365, (104)
Deutsche Nationale Volkspartei, 119, (149)
Centrum, 4, ( 3 )
Absolute Mehrheit der SPD (53,5%)

1920 wird zum ersten Male ein Elternbeirat für die Schule gewählt.
Je 50 Kinder 1 Mitglied des Elternrats. Vorbereitende Elternversammlung 2 Wahlvorschläge: von dem sozialdemokraten wurden 7,vom bürgerlichen 1 Vertreter der Elternschaft gewählt. Maurer Klemme 284, Schneider Kochbeck 289 Maurer Hundertmark 310, Postschaffner Brauns 91, Maurer Stute 75, Tischler koch 48, Zigarren-Arbeiter Düker 329,Schneider Knaust 66. (Interessant: kein Kolon dabei).
Großkundgebung am Denkmal: Eine Nationalkundgebung,10.000 Besucher. Redner Pastor Koch, Bad Oeynhausen später der Begründer der „Bekennende Kirche“ in der Nazi Zeit) Am 29. August 2.Großkundgebung an der Porta: Jugendtreffen der kirchlichen Jugend Nordwestdeutschlands. Etwa 12.000 , Pastor Kuhlo von Bethel („Posaunenkönig“) leitete den Chor der 500 Bläser ( Er war schon bei Einweihung des Denkmals 1896 dabei mit seinen Bläsern).
Am 12. September 1920. Das 3. große Treffen: Das Wittekindsbergfest der D.T. Deutsche Turnerschaft. Wettkämpfer aus ganz West- und Norwestdeutschland -wie schon früher erwähnt- im leichtathletischen Wettkampf um Siegerehre Wilhelm Ferling, Fritz Wömpner und Fritz Krüger vom M.T.V. Porta Barhausen gehörten zu den Siegern.

1921

Am 7.2.1921 wählte man im kirchlichen Gemeindehause (Osthaus-Stiftung) in gleicher Weise wie bei den politischen Wahlen die Vertreter der Evangelischen Kirche zu Barkhausen.
Ergebnis: 23 bürgerliche, 9 Sozialdemokraten, die aber als kirchlich galten.
Am 21. Februar Landtagswahl (nicht mehr wie früher in 3 Klassen!) Sozialdemokratische Mehrheit auch hier.

1922

5. Juni 1922, die 3.Großkundgebung der Deutschnationalen am Denkmal 10 000 Teilnehmer, 300 Bläser.
10. Juli, Kundgebung des Marineverbandes von Norddeutschland am Denkmal. Die Kriegervereine des Kreises Minden nehmen geschlossen teil. Admiral Scheibe hielt die Festrede.
Am 29. Juli wurde gelegentlich der Beerdigung des Gastwirts Seeger der neue Friedhof an der Alten Poststraße seiner Bestimmung übergeben. Der Acker wurde von Landwirt Münstermann angekauft.
31. Juli Kundgebung des „Akademischen Turnerbundes“ am Denkmal. Weihe einer Gedenktafel für die im Weltkrieg gefallenen Mitglieder.
4.September, Protestkundgebung der Sozialdemokraten nach der Ermordung Erzbergers.
Im September verließen uns 50 Baltenkinder, die hier im Erholungs-heim „Westfälische Pforte“ 5 Monate Erholung gefunden hatten (Besitzer Dr. Dumont aus Belgien).
Im September wurde zum ersten Mal das Amtssportfest in Haddenhausen gefeiert. Von 40 Kämpfern der Schule erhielten 38 einen Siegerkranz und die Schule erhielt den Wanderpreis beim Laufen, einen „Läufer“ aus Bronze. Im Januar 1922 fast 2 Wochen Grippeferien.
Nach der Ermordung des Reichsfinanzministers Dr. Rathenau am 19.6.1922 fand eine Trauerfeier in allen Schulen statt.

Am 27. Juni war in unserm Dorfe große Aufregung. Unter dem Motto:“ Die Republik ist in Gefahr!“ zogen zumeist unbesonnene Junge Leute durch das Dorf auf der Suche nach alten Fahnen, um sie zu verbrennen. Zuerst verbrannten sie die wertvolle alte Fahne des Kriegervereins die sie beim Vereinswirt „Korten Wilhem“, Bergbrede, Kreisstraße, gewaltsam raubten. Gegenüber wohnte ein alter Bauer. Ihn holte man aus dem Hause, knüpften ihm ein rotes Tuch um den Hals ,stellten ihn auf die Hofmauer und zwangen ihn zum Ausruf: „Es lebe die Republik!“ Dann zogen sie weiter von Haus zu Haus, um alle schwarz-weiß-roten Fahnen zu verbrennen. Allen Mitgliedern des „Jungdeutschen Ordens“ verlangten sie das Abzeichen ab.
Dramatisch wurde es beim General außer Dienst von Senden, der in seinem Haus an der Portastraße 137 weilte. Der General und sein zufällig anwesender Sohn traten den Demonstranten mit geladenen Pistolen entgegen und weigerten sich, die Fahne herauszugeben. Daraufhin belagerte man das Haus, zertrümmerte durch Steinwürfe zahlreiche Fenster rissen das Geländer nieder usw. Gegen 22 Uhr gab der General ,den Bitten seines Sohnes und seiner Gemahlin folgend und um weiteren Sachschaden zu verhüten, den Widerstand auf und erklärte sich bereit die Fahne selbst zu Verbrennen. Nachdem das geschehen war, zogen die Ruhestörer ab.
Nun ging es zur Schule, um die alte Schulfahne zu verbrennen. Der Rektor, den man gegen 23 Uhr aus dem Bette läutete, forderte man auf, die Fahne heraus zugeben. Der weigerte sich ,indem er erklärte, daß die Fahne Eigentum der Gemeinde sei, über die er nicht zu verfügen habe. Er schaffte es, die Hitzköpfe zu beruhigen. Sie meinten er müsse dann aber dafür sorgen, daß die Fahne umgefärbt würde.

Am 3.9. war für die Kirchengemeinde ein Freudenfest: Glockenweihe 1917 hatte man die alten Glocken abliefern müssen .Erst jetzt hatte man neue Gußstahlglocken kaufen können, deren Klang dem der Bronzeglocken fast gleichkam. Ihre Inschriften lauteten:
„Aus tiefer Not schrei ich zu dir (große Glocke) „Eine feste Burg ist unser Gott“ (mittlere) und „Verleih uns Frieden!“ (Kleine Glocke).

1923

Am 15. Januar 1923 fand eine vom Minister angeordnete Trauerfeier in der Schule statt: Die Franzosen hatten unser Ruhrgebiet besetzt! Ein schlechtes Omen für das Jahr 1923. Das Jahr des vollkommenen wirtschaftlichen Ruins, der Evakuierung des Ruhrgebietes, des passiven Wiederstandes, der Entwertung (Inflation) unseres Geldes, das Jahr der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung!
In der Schule wurden zu Ostern ganze 15 Kinder eingeschult.
Der Jahresausflug der Schule führte zum Hermannsdenkmal, die Bahnfahrt nach Detmold kostete 350 000 Mark.