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Denkschrift zur Brückenbaufrage (1950)


DENKSCHRIFT zur Brückenbaufrage in der Porta Westfalica, von Friedrich Peußner, Amtsbürgermeister im Ruhestand

Nachstehende Schrift will sich gegen das aufgeworfene Brückengroßprojekt wenden und unter Darlegung wesentlicher Gründe für den Wiederaufbau an alter Stelle plädieren.
Den Druck ermöglichten viele aufrichtige Liebhaber der Porta Westfalica

im Juli 1950

Die Vorgängerin der zur Erörterung stehenden Weserbrücke in der Porta Westfalica war eine in die Landschaft ausgezeichnet sich einfügende Hängebrücke. Diese ist leider ein Opfer der letzten Kampfhandlungen des 2. Weltkrieges geworden.

Damit wurde nicht nur ein vornehmlich lokaler Verkehrsstrang zerrissen, der die in die „Westfälische Pforte“ idyllisch eingebetteten, wechselseitig durch Post, Eisenbahn, Arbeitsstätten usw. aufeinander angewiesenen Ortschaften verband, sondern auch das allen Ansässigen, ebenso wie den zahlreichen Besuchern von jeher so altvertraute Landschaftsbild der Porta um ein beliebtes Wahrzeichen ärmer.

Die „Porta Westfalica„, bekanntlich ein gewaltiger Durchbruch, den sich die Weser im Zuge eines Urstromtales im Laufe der Jahrtausende durch den letzten, dem norddeutschen Flachlande vorgelagerten Gebirgszug, das Weser-Kettengebirge genagt hat, wird schon seit Jahrhunderten von Kupferstechern, Lithografen und Malern heutiger Tage gern dargestellt und bereits in vielen altertümlichen Reisebeschreibungen lobenswert erwähnt. Durch diesen natürlichen Gebirgsdurchbruch bewegt sich über die alte Heer- und spätere Poststraße seit Urzeiten ein reger Verkehr, der heutigentags, nicht gerade zur Freude der Porta-Freunde, Tag und Nacht kaum noch abreißt.

Man kann wohl mit Recht sagen, die Porta gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Ausflugszielen weit über den westfälischen Raum hinaus, wo alljährlich viele Tausende Erholung und Entspannung suchen.

Den Übergang über die Weser, der bis zu unseren Tagen im Wesentlichen dem Lokal- und Besucherverkehr diente, versah bis in die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts gemächlich eine Fähre, sowie auch nunmehr völlig unzulänglich heute wieder, nach der Zerstörung der in den 60er Jahren gebauten Kettenbrücke.

Bemerkenswert ist, dass diese Privatbrücke eigentlich ursprünglich gar nicht mal für den allgemeinen Verkehr, sondern ausschließlich für die damalige Portaner Eisenhütte gebaut worden war und erst viel später dem allgemeinen Verkehr erschlossen wurde.

Diese in geradezu graziöser Zügigkeit die Weser überspannende Kettenbrücke, die s. Zt. als eine bewunderte technische Leistung galt, gab mit dem später errichteten monumentalen Kaiser-Wilhelms-Denkmal auf der Spitze des Wittekindberges zusammen jenes Gepräge, was einfach zum Begriff der Porta wurde, und was geeignet war, die riesigen Dimensionen der westfälischen Pforte nur noch stärker zu betonen . Überhöhung der flankierenden Berge durch das gewaltige Denkmal und Steigerung der Wucht der Bergmassive gegenüber Anhaltspunkten im Tal durch Zwischenfügung einer im eleganten Schwung den Strom überspannenden, stets unaufdringlich wirkenden Hängebrücke. Eine Bogenbrücke wäre hier zweifellos auch ganz fehl am Platze gewesen. Und so ist es wohl zu verstehen, wie Denkmal und Kettenbrücke untrennbar für Abertausende mit dem Begriff der Porta verknüpft sind. Beide Symbole durften somit auch auf keiner der beliebten Ansichtskarten fehlen, die von hier aus in alle Welt gesandt wurden. Es hieße nun alle denkmalspflegerischen Pflichten unverantwortlich außer Acht lassen, wollte man diese landschaftsmalerischen Belange nicht weitgehendst beim Bau einer neuen Brücke berücksichtigen.

Die alte Brücke hat viele Jahrzehnte das Bindeglied der Porta gebildet. Sie war zwar in der letzten Zeit nach Ansicht mancher mit Hinblick auf die Entwicklung des zunehmenden Kraftfahrzeugverkehrs etwas schmal, um stärkeren Verkehr auf sich zu lenken. Aber vielleicht war es gerade dies, was verhindert hat, die Porta, deren Durchgangsstraßen rechts und links der Weser schon ohnehin ein geradezu großstädtisches Getriebe über sich ergehen lassen müssen, noch weiterhin mehr durch eine — selbst für schwerste Fahrzeuge bequem passierbare — Querverbindung über die Weser das ruhige, so geliebte Idyll der „Westfälischen Pforte“ zerstört haben würde.

Wie nun verlautet, trägt man sich mit dem Gedanken, eine neue Brücke „großen Stils„, zu bauen, die neben Straßenbahn, schwerste Fahrzeuge aufnehmen kann und deren Verlauf weiter stromaufwärts, wesentlich höher ansetzend, vom Bahnhof Porta, unter stiefmütterlicher Umgehung der im Zuge der ehemaligen Brücke liegenden Ansiedlungen, mit einer gewaltigen Länge sich bis zum Hotel Kaiserhof an der Oeynhausen-Mindener Landstraße erstrecken würde. Eine solche Brücke würde nicht nur die bedenkliche Verlegung eines öffentlichen Weges bedeuten, der sehr viele ehemalige Anlieger schädigt, sondern auch die an sich hier zunächst einmal primären lokalen Belange beim Wiederaufbau der Stromüberbrückung völlig gegenüber einem reinem Durchgangsverkehr außer Acht lassen, denn nur einem solchen würde das neue Brücken — Großprojekt den besten Vorschub leisten.

Außer diesen rein verkehrspolitischen Erwägungen sprechen aber nicht minder wesentliche Gründe einer landschaftlichen Verschandelung oder Verhunzung — wie Hermann Löns gesagt haben würde — gegen ein Brückenprojekt, das mit einem fast 600 m langen riesigen Übergangskoloß die herrliche Augenweide des Wesertales schnöde zerreißen würde. Dabei hätte dieser Riesenviadukt, etwa am Bahnhof Porta 2-mal so hoch als die ehemalige Brücke ansetzend, einen gewaltigen Höhenunterschied auszugleichen, der entweder nur durch eine geneigte, hässlich anmutende Brücke, oder eine große im Landschaftsbild noch mehr störende Auslauframpe bewältigt werden könnte. Eine solche Brücke dürfte abgesehen von der Frage ihrer Zweckmäßigkeit und enormen Kosten, — wie gesagt — landschaftlich einen außerordentlichen Eingriff bedeuten.

Man hat in der Zeit, als es bedauerlicherweise noch keinen Einfluss ausübende Städteplanung gab, z. B. leider oft mittelalterliche Dome und dgl. völlig ihrer imposanten Erscheinung dadurch beraubt, dass man ihnen schonungs- und pietätlos mit riesigen neuzeitlichen Gebäuden zu nahe rückte. Ähnliche Verschandlungen können aber auch einem Naturdenkmal wie der Porta Westfalica, widerfahren, wenn man hier nicht sehr sorgfältig Landschaft und Verkehrsbedürfnis harmonisch aufeinander abstimmt.

Der Bau der Portabrücke ist somit zweifellos nicht nur der Bau irgendeiner Brücke, auch nicht etwa gar der Bau eines Viaduktes, welcher erst durch seine gigantische Architektur die Landschaft beleben soll. O nein, das mag wohl anderenorts der Fall sein, hier in der Porta will man nicht Formen von Beton und Stahl bewundern oder sich von ihnen ablenken lassen, was uns in gewisser Weise schon sattsam in den Städten entgegentritt. Hier wollen wir die Allgewalt der Natur bewundern, die hier den großartigen Durchbruch geschaffen hat. Von Menschenhand sollte hier in der Tat nichts geschehen, was irgendwie die Bergmassive des Wesertores in ihrer Eindruckskraft durch den Blickfang eines Riesenbauwerkes schmälert. Die beiden flankierenden Berge (Wittekinds- und Jakobsberg) aber würden zweifellos an imposanter Wuchtigkeit einbüßen, wenn im Taleinschnitt eine riesige Brücke, mit gewaltigen Höhendimensionen im Blickfeld, sozusagen eine optische Überhöhung der Talsohle, d. h. fürs Auge eine Höhen- Verminderung des Gesamteindrucks hervorruft.

Jährlich kommen Tausende von Besuchern, Erholungssuchende, die sich eine weitere Reise nicht leisten können, ganze Schulen und Vereine von nah und fern, um die Anmut der Porta zu erleben. Hier möchte aber wirklich niemand in Zukunft als Hauptblickfang einen Koloss von Brücke vorfinden, der die ganze Romantik entschwinden ließe, über den dann ein Fahrzeug nach dem anderen donnert, von der zum Unwohlsein der an der Weser oft zu hunderten lagernden und badenden Menschen Staub und Papier herabwirbelt; denn auch das hat man ja so sattsam in den Städten, aus denen diese Menschen zur Erholung geflohen sind. Die Porta würde aufhören, ein Idyll zu sein, eine Wallfahrtsstätte geradezu für Entspannung und Erholung suchende Städter …. und damit nicht auch letzten Endes ein Ausfall für die vom Fremdenverkehr lebenden Einheimischen.

Die Porta gehört zu den wenigen Flecken der dicht besiedelten westfälisch-hannöverschen Landschaft, die bequem und mit nicht allzu hohen Anfahrtskosten auch von der minderbemittelten Bevölkerungsschicht erreichbar erscheint. Desto mehr sollte man es sich angelegen sein lassen, hier zunächst einmal denkmalspflegerisch zu Rate zu gehen, anstatt sich von rein nüchternen, verkehrstechnischen Gesichtspunkten leiten zu lassen.

Ortsansässige und alle Freunde der Porta von nah und fern sollten daher mit Nachdruck eine Brücke verlangen, die gemäß der alten, in derem Zuge sich die Bewohner, Postamt und Geschäfte angebaut haben, zu verlaufen hat und zunächst die lokalen Verhältnisse wieder voll berücksichtigt, vor allem aber das altvertraute Landschaftsbild wiederherstellt und darüber hinaus in verkehrstechnischer Hinsicht den heutigen Verhältnissen angepasst wird, ohne jedoch dabei eine Verkehrsverlagerung derart herauszufordern, dass der Ausflugszielcharakter der Porta an seiner idyllischen Anziehungskraft empfindliche Einbuße erleidet.

Leider hat schon manches im Laufe der Zeit die Porta verunziert, so z. B. die riesigen Betonmassen der Bahnanlagen, die Veränderungen am Jakobsberge durch die Bauvorhaben des letzten Krieges usw.
Die geplante Riesenbrücke aber würde der Porta durch seinen ganz unvermeidlichen Blickfang eine solche Veränderung beibringen, dass jedenfalls alle Romantik dieses beliebten Ausflugszieles für immer dahin wäre.

Die alte Portabrücke hat in früheren Jahren, um es nochmals zu betonen, im Wesentlichen nur dem Lokal- und Besucherverkehr gedient. Ein ausgesprochenes Bedürfnis für eine Weserquerverbindung zwischen beiden Verkehrssträngen zu beiden Seiten des Stromes hat bislang für den Fernverkehr nicht bestanden. Erst die Anlage der Autobahn, Industriegebiet Hannover, hat hier eine gewisse Änderung gebracht, wodurch auch die engen Hausberger Straßen eine unzuträgliche Belastung erfahren haben. Immerhin, die Portabrücke würde die Mindener entlasten, aber auch beim Wiederaufbau der Brücke an der alten Stelle, ließe sich eine in diesem Sinne geeignete Verkehrsanpassung erzielen. Ein solches Projekt soll schon einmal von der Brückenfirma Eilers, Hannover, entworfen worden sein.

Die geplante Riesenbrücke aber, die sich direkt wie ein auffordernder Auffangarm quer und in kürzester Linienführung zwischen die Hauptverkehrsadern rechts und links des Stromes legen würde, dürfte einen besonders großen Anreiz zur Überquerung selbst für solche Fahrer bieten, die an sich sonst keinen Anlass dazu hätten, vielleicht nur eben dieser allzu einladenden Brücke wegen die Porta jedoch nun passieren. So könnte sich, ohne das a priori ein ausgesprochen verkehrstechnisches Bedürfnis vorliegt, mit der Zeit eine „Verkehrsverlagerung“ ergeben, bei der durch ewig rollende Fahrzeuge, insbesondere durch den ohrenbetäubenden und luftverpestenden Fernlastverkehr eine weitere Beeinträchtigung der Porta auch noch quer über den Strom heraufbeschworen würde.

Die alte, nicht so zügig in der Linienführung liegende, wohl aber die Lokalinteressen natürlich berücksichtigende Brücke, würde den leidigen Durchgangsverkehr nicht so sehr herausfordern.

Es wäre natürlich töricht, wollte man sich der Entwicklung des Verkehrs blind entgegenstemmen. Aber wir haben die Möglichkeit, genauso wie in den Städten, den Verkehr in geeignete Bahnen zu lenken und hierbei die fraglichen Belange aufeinander abzustimmen.

Und so sollte man wirklich prüfen, ob nicht doch statt des kostspieligen und unschönen Brückenkolosses für etwa 3 — 4 Millionen DM auch ein verstärkter Wiederaufbau der Brücke an seiner alten, natürlichen Stelle — und zwar wieder als „Kettenbrücke„ des Landschaftsbildes wegen — für, wie verlautet, nur knapp 1 Million DM, unter Mitverwendung der alten, noch vorhandenen Strompfeiler genügen dürfte, ja sogar aus all den genannten Gründen zweckmäßiger ist!

Es ist die von Herzen kommende Stimme vieler, vieler Menschen:

„Lasst nicht die Porta ein Opfer eines vielleicht wohl technisch reizvollen Projektes auf Kosten der so anheimelnden landschaftlichen Schönheit und Eindruckskraft werden. Schenkt uns, die wir dieses herrliche Fleckchen westfälischer Heimat von nah und fern lieben, Gehör! Lasst uns dieses einzigartige Naturdenkmal frei von zwangsläufig dominierenden technischen Großbauten bleiben. Der geplante Brückenkoloss würde die Landschaft mit seinen hässlich in die anmutige Talsohle stampfenden Betonklötzen die saftigen Wiesen und herrlichen Felder im Gesamtbilde erdrücken und die erhabenen Proportionen der den Strom so reizvoll flankierenden Berge lieblos schmälern!“

Darum möge man unbedingt, ehe es zu spät ist, nochmals sorgfältigst prüfen, ob nicht doch an alter Stelle, dort, wo durch das nahe Zusammentreten der beiden Ufer, über die naturgegebenen Zufahrtsrampen der kürzeste und natürlichste Übergang bei normaler Höhe über den Strom gegeben ist, unter Berücksichtigung einer gemäßigten Verkehrslenkung, wie sie für Ausflugsorte am Platze ist, eine auch den heutigen Bedürfnissen sonst entsprechende Brücke wieder erstehen kann.

Dass dabei die bisher allzu winkligen Kurven in der Brückenzuwendung am Hotel „Großer Kurfürst„ und der Einmündung in die sogenannte „Fährstraße“ eine entsprechende Abrundung erfahren müssten, und die Brücke nicht wieder eine Privatbrücke sein dürfte, versteht sich dabei wohl von selbst.

Was steht diesem Verlangen entgegen, zumal die Baukosten wesentlich niedriger liegen, und wir doch ein bettelarmes Volk geworden sind?
Nun, hier eine Antwort oder besser noch, eine geeignete Lösung zu finden, dürfte den Behörden zum höchsten Lob, der Bevölkerung aber zu Freude und Nutzen gereichen.
Wir wünschen uns an der alten Stelle eine den dargestellten, offenkundigen Verhältnissen Rechnung tragende Kettenbrücke ähnlich der alten.

Videant consules!