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Ein Blick zurück - 125 Jahre Ev. Kirchengemeinde Barkhausen

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Veränderung lag in der Luft. Die industrielle Revolution schritt voran. Stadt und Land standen immer mehr in Konkurrenz zueinander. Wir schreiben das Jahr 1895. In Berlin Charlottenburg wird die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche feierlich eingeweiht. In Kleinenbremen und Lerbeck wurden in den vergangenen Jahren durch den Kirchenbaumeister Heinrich Hutze aus Barkhausen mächtige neugotische Kirchen gebaut. Eine Groß-Baustelle, auf der das Kaiser-Wilhelm-Denkmal immer mehr Gestalt annahm, ragte über dem Dorf Barkhausen. An der Portastraße wurde das Hotel Kaiserhof gebaut.

Und das kirchliche Leben in Barkhausen? Barkhausen war bis 1895 eine sogenannte Kapellengemeinde, die von der St. Martini-Kirchengemeinde in Minden mitversorgt wurde. Man traf sich zum Gottesdienst in der kleinen Dorfkapelle auf engstem Raum oder musste, wie zur Konfirmation, nach Minden in die Martinikirche gehen. Die Volkszählung von 1895 ergab für Barkhausen eine Bevölkerung von 1796 Menschen. Das war eine Zunahme von 422 in den vergangenen zehn Jahren. Im Winter 1894/95 mussten in der St. Martini-Kirchengemeinde mehrere Repräsentanten neu gewählt werden. Durch Absprachen wurde es möglich, dass sämtliche Neugewählte aus den Landgemeinden Barkhausen, Bölhorst und Häverstädt waren.

Wie kam es zu dieser Absprache? Der zweite Pfarrer an St. Martini, Pastor Cordemann, hatte es fertiggebracht, dass für ihn die frühere Töchterschule an der Opferstraße für 20.000 Mark von der Stadt angekauft und als Pfarrhaus genutzt wurde. Dagegen waren die Vertreter vom Land - doch sie waren eine Minderheit. Um ähnlichen Vorgängen vorzubeugen, sollte die Vertretung vom Land gestärkt werden, die in der Stadt vermindert. Aber der Beschluss lautete dann doch, dass die kirchlichen Vertreter nach dem Verhältnis der Einwohnerzahlen aus Stadt und Land zu wählen seien. Die Folge wäre gewesen, dass die Landgemeinden, weil in der Minderheit, wenig zu sagen gehabt hätten.

Das war der Anstoß, dass Barkhausen sich von der Muttergemeinde löste. Bauvorhaben der St. Martini-Gemeinde mussten bisher von Barkhausen mitfinanziert werden. Da einige anstanden, ahnten die Barkhauser eine erhebliche Steigerung der Kirchensteuern. Und sie sagten sich: „Sollen wir nun die Schulden in Minden erst tilgen helfen und dann uns constituieren und neue Schulden machen und tilgen? - Da ist es vorteilhafter, wir trennen uns von der Muttergemeinde St. Martini in Minden und bilden eine Kirchengemeinde Barkhausen.“

Der Rentner August Wiehe, der Architekt Heinrich Hutze und der Besitzer von Gut Wedigenstein, Heinrich Osthaus, reisten am 28. Dezember 1894 zur Kirchenleitung nach Münster und trugen dort ihre Absicht vor. Das Leitungsgremium sagte ihnen Unterstützung zu. Es wollte sogar eine Haus- und Kirchenkollekte in der Provinz Westfalen dafür bewilligen. Am Sonntag zwischen Weihnachten und Neujahr 1894 wurde in der Schule die erste Gemeindeversammlung einberufen. 138 Personen waren anwesend.

Nachdem das Für und Wider erörtert war, stimmten 135 für die Gründung einer eigenen Kirchengemeinde, nur drei Gemeindeglieder waren dagegen. Am 12. Februar 1895 ging der Antrag auf Abzweigung mit 393 Unterschriften von Barkhauser Bürgern an die Kirchenleitung in Münster. Gleichzeitig stellte der nach Hausberge eingepfarrte Gutsbesitzer Osthaus zu Wedigenstein den Antrag, ihn von Hausberge zu entlassen und der Kirchengemeinde Barkhausen zuzuweisen.

Am 27.3.1895 kam der Assessor Hildebrandt von Münster zu einem Termin in der alten Schule. Neben 113 Gemeindegliedern waren Superintendent Prieß aus Bergkirchen und die beiden Pfarrer von St. Martini anwesend. Von den Gemeindegliedern waren 85 für die Abzweigung, 28 dagegen. Die letzteren, die dagegen gestimmt hatten, und weitere Protestler traten aus der ev. Landeskirche aus. Sie waren der Meinung, die Abzweigung käme für Barkhausen zu teuer, die Kirchenabgaben würden zu hoch. Im Laufe der Zeit traten alle wieder in die Ev. Kirche ein. Mit dem 1. November 1895 wurde Barkhausen eine selbständige Kirchengemeinde. Sie sollte zunächst weiterhin von den beiden Pfarrern aus St. Martini mitversorgt werden. Bald darauf wurden unter Vorsitz von Superintendent Prieß 24 Repräsentanten gewählt. Die wiederum wählten das Presbyterium (acht Personen). Am 1. Januar 1896 sandte das königliche Konsistorium der Gemeinde den Pastor Otto Meyer aus Gütersloh, um die Gemeinde während der Bauzeit der neuen Kirche zu versorgen. Mit der Bildung der neuen Kirchengemeinde war auch verfügt worden, dass das Gut Wedigenstein, das Forsthaus und die Wittekindsburg zu der Kirchengemeinde Barkhausen gehören. Vertreter der Kirchengemeinde kauften ein Areal südlich vom Friedhof. Dies sollte für eine Kirche, sowie Pfarrhaus und den Pfarrgarten bestimmt sein. Damit die Gemeindeglieder jetzt nicht mehr den Gottesdienst in Minden besuchen mussten, wurden vom 1. Januar 1897 an zwei Gottesdienste in der Kapelle gehalten, um 10 Uhr und um 14 Uhr.

Natürlich war auch erwogen worden, mit einer oder mehreren der anderen Landgemeinden zusammenzugehen, denn auch sie sahen ja ihrer Zukunft bei St. Martini mit Sorge entgegen, und die finanziellen Lasten der Selbständigkeit hätten sich so besser schultern lassen. Mit Häverstädt als Partner hätte man sich durchaus anfreunden können. Zwar sollen die Häverstädter zunächst verlangt haben, die neue Kirche mitten im Felde zwischen beiden Dörfern zu bauen. Dieser Gedanke erschien einigen Barkhauser Skeptikern unerträglich. Schon für Januar 1895 ist aber dokumentiert, dass der Nachbarort mit dem Kirchenstandort Barkhausen und sogar mit dem dort ins Auge gefassten Grundstück einverstanden war. Man entschied sich dann aber doch dagegen. Und so begann die 125-jährige Geschichte der Ev. Kirchengemeinde Barkhausen. Die Kirchengemeinde wurde in diesen 125 Jahren durch fünf Pfarrer und eine Pfarrerin, die von dem jeweiligen Presbyterium gewählt wurden, betreut. Das spricht für eine große Kontinuität.

Die Welt hat sich in diesen 125 Jahren stark verändert. Die Kirchengemeinde musste sich immer wieder an die neue Situation anpassen oder entgegenstellen. So wird es auch in Zukunft sein. Möge Gott die Arbeit der Kirchengemeinde auch in den kommenden Jahren segnen!

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Bernd Hüffmann in Mittendrin - Das Gemeindejournal November 2020 - Februar 2021